Rebecca - Daphne du Maurier

Rebecca Daphne du Maurier

5/5 Sterne

Plot

"Rebecca" von Daphne du Maurier ist ein atmosphärisch dichter, psychologisch akkurater und spannender Roman über eine junge Frau, die sich in den deutlich älteren, reichen Witwer Maxim de Winter verliebt und nach ihrer Hochzeit die neue Herrin auf Manderley ist, einem Anwesen, das seinesgleichen sucht.
Maxim de Winters verunglückte erste Frau, Rebecca, ist überall auf Manderley für die junge Protagonistin spürbar, greifbar; sie wird ihr zum ständigen Gegenüber, mit dem sie sich misst und vergleicht, wobei sie aufgrund ihrer Selbstzweifel häufig dazu tendiert, sich gegenüber der Verstorbenen klein und unterlegen zu fühlen. Auch Maxims verschlossene, manchmal väterlich tadelnde Art sowie die unnahbare und zunehmend übergriffige und respektlos agierende Haushälterin Mrs. Danvers tragen nicht dazu bei, dass die junge Frau ihre Unsicherheit und Unbeholfenheit ablegen kann.
Immer mehr scheint ihr Rebecca zum gegenständlichen Hindernis zu werden; scheint ihr Rebecca die Rolle als neue Herrin von Manderley zu vereiteln.
Als schließlich durch einen Zufall das Boot gefunden wird, mit dem Rebecca verunglückt ist, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen und dunkle Geheimnisse werden enthüllt...

Schreibstil

Wir erleben als Leser die gesamte Geschichte aus der Ich-Perspektive der jungen Frau. Wir hören ihre Gedanken, ihre Selbstzweifel; sind Zeuge ihrer innerlichen Unsicherheit, Überforderung und Unbeholfenheit. Wir sehen alles aus ihren Augen, hören alles mit ihren Ohren.
Wir erleben hautnah, wie die junge Protagonistin zunehmend in eine emotionale Abhängigkeit ihrem Ehemann gegenüber gerät, und schließlich bereit ist, alles für ein Quäntchen seiner Liebe zu tun und zu akzeptieren.
Du Mauriers Schreibstil ist malerisch, ohne kitschig zu sein; sehr detailreich, dicht in der Atmosphäre, teilweise subtil poetisch. Dem Anwesen Manderley wird durch die Dichte der Sprache Leben eingehaucht, man nimmt es fast als zusätzlichen Protagonisten wahr.
Das Tempo der Handlung ist zunächst langsam, steigert sich aber durch das Buch hinweg deutlich, bis dann im letzten Drittel die Ereignisse Schlag auf Schlag geschehen. Durchwegs wird eine teils subtile, teils offenkundige Spannung erzeugt.
Eine kleine schriftstellerische Besonderheit ist, dass die junge Protagonistin, aus deren Perspektive wir die gesamte Geschichte erleben, namenlos bleibt!

Figuren

Die Protagonisten sind greifbar und plausibel, und wirken in Sprache und Handlung stets glaubwürdig und ihrem Charakter entsprechend. Besonders gut gelungen sind aus meiner Sicht die Protagonistin selbst sowie Mrs. Danvers, welche zunächst nur kühl, bald subtil gruselig und schließlich offen bedrohlich wirkt.
An manchen Stellen verwirrend wirkte für mich die Figur des Maxim de Winters, dessen wahre Gefühle und Beweggründe lang im Verborgenen bleiben.
Auch die Figur der Rebecca erlebt eine starke Wandlung und der Leser ist in seiner Auffassung ihrer Person auf Nacherzählungen, Meinungen und Interpretationen Dritter angewiesen, da sie selbst nicht mehr direkt in ihrem Agieren beobachtet werden kann.

Beziehungsdynamik

Die Protagonistin ist eine sensible, feinfühlige Person, aus meiner Sicht zu einem guten Maß introvertiert und schüchtern. Sie ist jung und unerfahren, und nicht für ein Leben als Herrin eines solchen Anwesens ausgebildet oder vorbereitet.
Sie ordnet sich schnell unter - ihrem deutlich älteren Ehemann, der sie teilweise wie ein Vater "erzieht", indem er sie lobt oder tadelt; aber auch der Haushälterin Mrs. Danvers, die auf sie einschüchternd wirkt.
Maxim ist immer wieder in sich zurückgezogen, unnahbar, verschlossen; er ist unabhängig und zeigt seine Zuneigung hauptsächlich durch Worte oder subtile Gesten. In der jungen Frau löst das eine zunehmende emotionale Abhängigkeit und Verlustangst aus; schließlich ist sie vollkommen davon überzeugt, ihr Mann würde sie gar nicht lieben.
Erst als es für Maxim so scheint, als gäbe es für seine Ehe keine Zukunft mehr, ist er in der Lage, seine Gefühle zu zeigen - was wiederum unsere nach Zuneigung lechzende Protagonistin dazu verleitet, ALLES dieser Zuwendung zu opfern.
Eine Besonderheit dieses Buches ist die mehrfache Macht-Umkehr in verschiedenen Beziehungsverhältnissen. Vor allem in der Beziehung zwischen Maxim und seiner jungen Frau wird dies sichtbar. Das anfänglich einseitige Machtgefälle von ihm zu ihr kippt an einem bestimmten Punkt des Buches ins Gegenteil und verkehrt sich zu einem einseitigen Machtgefälle von ihr zu ihm.

Die Frage der Schuld

Eine weitere Besonderheit in diesem Buch ist, dass der Leser durch die Ereignisse immer wieder aufgefordert wird, seine moralische Beurteilung der Geschehnisse in Frage zu stellen. War man sich gerade noch sicher, ein Urteil gefällt zu haben, so kommt plötzlich eine Wende, die alles wieder ins Wanken bringt. Die Schuldfrage scheint eindeutig zu sein, ist es aber bei näherem Hinsehen nicht; verschärft dadurch, dass uns lediglich die subjektive Perspektive der Ich-Erzählerin zur Verfügung steht.

Fazit

"Rebecca" ist ein dichtes, atmosphärisch düsteres und intensives Buch, das jedenfalls nicht kalt lässt und beim Leser durchwegs eine Bandbreite an unterschiedlichsten Gefühlen und Regungen auslöst. Es ist spannend, psychologisch interessant und vermag einige moralische Fragen aufzuwerfen, die einen auch nach der Lektüre noch begleiten.

Über die Autorin

Daphne du Maurier (1907–1989) war eine britische Schriftstellerin, die durch ihre fesselnden und oft geheimnisvollen Romane und Kurzgeschichten berühmt wurde. Ihr bekanntestes Werk, Rebecca, gilt als Klassiker der Literatur und wurde von Alfred Hitchcock verfilmt. Neben weiteren Romanen wie Jamaica Inn und der Kurzgeschichte Die Vögel, die ebenfalls von Hitchcock adaptiert wurden, zeichnete sich ihre Arbeit durch düstere Atmosphären und komplexe Charaktere aus.

Meine gelesene Ausgabe
"Rebecca" von Daphne du Maurier, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2010 (ISBN: 978-3-596-90275-0)

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